Pressemitteilung
Stärkung der Rassismusforschung in Deutschland
Auftaktkonferenz des Wissensnetzwerks Rassismusforschung (WinRa)
Die Rassismusforschung ist in der deutschsprachigen Wissenschaft bislang kaum institutionalisiert. Um diesem Mangel entgegenzuwirken, fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) seit diesem Jahr das bundesweite Wissensnetzwerk Rassismusforschung (WinRa) im Rahmen die Förderrichtlinie „Aktuelle und historische Dynamiken von Rechtsextremismus und Rassismus“. Am 12. und 13. Oktober 2023 findet in Berlin dessen Auftaktkonferenz mit Expert*innen aus Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft statt. Das Netzwerk wird am Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) koordiniert und besteht aus vier Regionalnetzwerken.
Das Wissensnetzwerk Rassismusforschung (WinRa) stellt bei seiner Auftaktkonferenz in Berlin seine Arbeit vor. Führende Expert*innen aus Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft diskutieren Herausforderungen und Potenziale der Rassismusforschung in Deutschland. Eröffnet wird die Konferenz mit Grußworten der Beauftragten der Bundesregierung für Antirassismus, Staatsministerin Reem Alabali-Radovan, des Antiziganismusbeauftragten der Bundesregierung, Dr. Mehmet Daimagüler, und des Leiters des Referats Geistes- und Sozialwissenschaften im Bundesministerium für Bildung und Forschung, Ulrich Scharlack. Den inhaltlichen Höhepunkt am späten Nachmittag leitet die Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, ein, den Keynote-Vortrag hält Professor Eduardo Bonilla-Silva von der Duke University (USA) mit dem Titel „IN PLAIN SIGHT – The (Not So) Secret Way Racism Works in Universities in the USA“. Die Vorträge und Panels der Konferenz werden folgende Themen in den Fokus stellen: die weitere Stärkung der Rassismusforschung in Deutschland, Methoden und Daten in der Rassismusforschung, die Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Akteur*innen sowie die Relevanz des internationalen Austauschs für die Rassismusforschung, um von internationalen Diskursen und Praxen zu lernen.
„Mit der Auftaktkonferenz schließen wir den Aufbau des Wissensnetzwerks Rassismusforschung ab, sagt die wissenschaftliche Leiterin des WinRa, Dr. Aisha-Nusrat Ahmad. „Nun beginnt unsere eigentliche Arbeit: Bis 2027 werden wir die verstreute und fragmentierte Rassismusforschung in Deutschland durch einen dauerhaften, interdisziplinären Austausch vernetzen, die Forschungsinfrastruktur weiterentwickeln und wissenschaftliche Expertise für Politik und Zivilgesellschaft bereitstellen.“
Die Wissenschaftliche Geschäftsführerin des DeZIM-Instituts, Dr. Noa K. Ha, betont die unveränderte Dringlichkeit dieser Aufgabe: „Im internationalen Vergleich fällt die geringe Anzahl einschlägiger Forschungsstrukturen und -einrichtungen, Studiengänge oder Lehrstühle für Rassismusforschung in Deutschland auf. Zugleich verzeichnen wir eine Zuspitzung der gesellschaftlichen Debatte zu Flucht und Migration und ein weiteres Erstarken des Rechtspopulismus. Die Frage, wie sich unter diesen Umständen am Abbau von strukturellen und alltäglichen Formen der Diskriminierung weiterarbeiten lässt, ist aktueller denn je. Behörden, Politik und Zivilgesellschaft benötigen gesicherte Wissensgrundlagen, um gegen Rassismus, Antisemitismus und Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit vorgehen zu können.“
WinRa ist ein interdisziplinäres Verbundprojekt, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Förderrichtlinie „Aktuelle und historische Dynamiken von Rechtsextremismus und Rassismus“ gefördert wird. In dieser Linie und in zusätzlichen Nachwuchsgruppen werden durch das BMBF insgesamt 14 Einzel- und Verbundprojekte zur Rassismusforschung an Universitäten und außeruniversitären Einrichtungen finanziert. Die Förderung ist Teil des Maßnahmenkatalogs gegen Rassismus und Rechtsextremismus, der im Dezember 2020 vom Bundeskabinett beschlossen wurde.
WinRa wird am Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) koordiniert und besteht aus vier Regionalnetzwerken. Diese sind an der Bucerius Law School Hamburg (Prof. Dr. Mehrdad Payandeh)/Universität Hamburg (Prof. Dr. Jürgen Zimmerer) für das Netzwerk Nord; der Hochschule Magdeburg-Stendal (Prof. Dr. Maisha Auma)/Humboldt-Universität zu Berlin (Prof. Dr. Gökçe Yurdakul) für das Netzwerk Ost; der Universität Mannheim (Prof. Dr. Irena Kogan)/Universität Bayreuth (Prof. Dr. Stefan Ouma) für das Netzwerk Süd sowie der Universität Bielefeld (Prof. Dr. Paul Mecheril)/Leuphana Universität Lüneburg (Prof. Dr. Serhat Karakayali) für das Netzwerk West angesiedelt.
Statements der Sprecher*innen der WinRa-Regionalnetzwerke
Netzwerk Nord: Prof. Dr. Mehrdad Payandeh (Bucerius Law School Hamburg) und Prof. Dr. Jürgen Zimmerer (Universität Hamburg) sind Sprecher für das Netzwerk Nord
- „Deutschland hat in Sachen Forschung zu Rassismus und rassistischer Diskriminierung Nachholbedarf“, stellt Prof. Dr. Mehrdad Payandeh fest. „Das Wissensnetzwerk bietet die Chance, die bestehenden Forschungsansätze und Akteure zu vernetzen und damit auch den interdisziplinären Austausch zu fördern. Dabei streben wir an, uns eng mit zivilgesellschaftlichen Akteuren und Personen, die von Rassismus betroffen sind, auszutauschen und diese einzubeziehen.“
- „Rassismus hat eine lange und unheilvolle Geschichte in Deutschland”, so Prof. Dr. Jürgen Zimmerer (Universität Hamburg). „Trotz des Ringens um eine Vergangenheitsbewältigung sind Geschichte und Folgen rassistischen Denkens und Handelns in der deutschen Geschichte vom Kolonialismus über das Dritte Reich bis in die Gegenwart nur unzureichend erforscht und aufgearbeitet. Das Wissensnetzwerk Rassismusforschung kann hier durch seinen interdisziplinären Zuschnitt wichtige Akzente setzen und der gegenwärtigen Debatte die benötigte historische Tiefendimension verleihen.“
Netzwerk Ost: Prof. Dr. Maisha Auma (Hochschule Magdeburg-Stendal) und Prof. Dr. Gökçe Yurdakul (am BIM der Humboldt-Universität zu Berlin)
- „Das Wissensnetzwerk Rassismusforschung soll die Forschung zu Rassismus an den Universitäten und Hochschulen etablieren, die Zusammenarbeit fördern, zivilgesellschaftliche Akteur*innen einbinden und die Expertise verschiedener betroffener Communities berücksichtigen. Wissenschaftler*innen, die zum Thema Rassismus forschen, brauchen hierzulande Karriereperspektiven. Sonst gehen sie ins Ausland, und ihre Expertise geht uns verloren“, sagt Prof. Dr. Maisha M. Auma (Hochschule Magdeburg-Stendal).
- „Das Wissensnetzwerk kann dazu beitragen, die Rassismusforschung als Praxis zu reflektieren sowie im Hinblick auf Ethik, Methodik und Praxistransfer präziser zu definieren“, sagt Prof. Dr. Gökçe Yurdakul (Humboldt-Universität zu Berlin). „WinRa sucht daher neben der bundesweiten Vernetzung über die regionale Netzwerkstruktur den Austausch mit Nachwuchsgruppen und Forschenden in der frühen Phase ihrer wissenschaftlichen Karriere. Zusätzlich will WinRa über die gesamte Projektlaufzeit eine internationale Vernetzung mit Partnern und Institutionen ermöglichen.“
Netzwerk Süd: Prof. Dr. Irena Kogan (Universität Mannheim) und Prof. Dr. Stefan Ouma (Universität Bayreuth) sind Sprecher*innen
- „Die Stärke des Netzwerkes liegt in der interdisziplinären Zusammensetzung und der methodischen Vielfalt, um Rassismus in Deutschland zu erforschen“, ergänzt Prof. Dr. Irena Kogan. „Die Erkenntnisse der bereits vorhandenen deutschen Rassismusforschung müssen mit quantitativen Daten zu komplexen sozialen Lagen mit Blick auf rassistische Diskriminierung verbunden werden.“
- „Ich freue mich, dass sich das Netzwerk auch dem Thema Statistik und quantitative Rassismusforschung widmet, gerade auch im Bereich der Ökonomie“, sagte Prof. Dr. Stefan Ouma (Universität Bayreuth), „Dazu gibt es leider gerade in Deutschland noch immer viel zu wenig Forschung.“
Netzwerk West: Prof. Dr. Paul Mecheril (Universität Bielefeld) und Prof. Dr. Serhat Karakayalı (Leuphana Universität Lüneburg).
- „Das Thema Rassismus ist ein polarisierendes und sozusagen emotionalisierendes Thema“, sagte Prof. Dr. Paul Mecheril (Universität Bielefeld). „WinRa soll den forschungsgeleiteten Austausch mit Politik und Stakeholdern aus der Praxis stärken, Empfehlungen für Hochschulen, Politik und Praxis entwickeln und Politik, Zivilgesellschaft, Medien und Öffentlichkeit als Ansprechpartner dienen.“
- „Gerade weil es sich bei der Forschung zu Rassismus um ein hochpolitisiertes Feld handelt, sind wissenschaftliche Forschung sowie der Ausbau der Forschungsinfrastruktur besonders wichtig“, resümierte Prof. Dr. Serhat Karakayalı (Leuphana Universität Lüneburg). „Das Wissensnetzwerk Rassismusforschung soll dafür nach einer Bestandsaufnahme der Rassismusforschung Entwicklungsperspektiven und Handlungsempfehlungen für eine geeignete Forschungsinfrastruktur benennen.“
Pressekontakt: Dr. Aisha-Nusrat Ahmad, Wissenschaftliche Leitung Wissensnetzwerk Rassismusforschung
Kontakt-Mailadresse: winra-konferenz@dezim-institut.de